Migration Paths identifizieren und nutzen
Cloud-Computing stellt für Unternehmen jeder Größe eine sinnvolle Alternative zur konventionellen On-Premise-IT dar. Ob die eigene IT in Teilen oder sogar ganz virtualisiert werden kann, hängt von vielen Faktoren ab. Insbesondere die Notwendigkeit, Legacy-Systeme weiterzubetreiben, erweist sich für viele Firmen als Herausforderung bei der Migration. Dabei sprechen gute Gründe für die Virtualisierung gerade solcher Systeme. Reduzierte Wartungs- und Betriebskosten sowie die Möglichkeit, virtuelle Hardware langfristig bereitzustellen, sind Argumente für eine Migration. Das Beispiel Legacy-Systeme macht aber auch deutlich: Bei der Cloud-Migration gibt es nicht die eine Lösung für alle. Aus diesem Grund ist es beim Entwurf der Migrationsstrategie wichtig, die eigenen Zielvorgaben klar zu formulieren und sich auf dieser Grundlage für einen individuellen Migration Path zu entscheiden.
Grundsätzlich lassen sich die Migrationsvarianten Rehost, Refactor, Rearchitect, Rebuild und Replace identifizieren. Während Sie beim Rehosting Ihre Anwendungen in virtuellen Maschinen in den Rechenzentren der großen Cloud-Provider ausführen, geht mit dem Replacement die vollständige Umstellung der eigenen Infrastruktur auf Cloud- und SaaS-Lösungen einher. Selbstverständlich sind diese Pfade nicht in Stein gemeißelt, sondern bilden lediglich Varianten und Möglichkeiten des Migrationsprozesses ab. In der Praxis ist häufig eine Kombination mehrerer Migrationspfade der beste Weg, für den Sie sich entscheiden können. Gerade wenn Ihre IT über viele Jahre gewachsen ist, gibt es oft verschiedene Infrastrukturbereiche, die eigener Lösungswege bedürfen.
Beim Lift-and-Shift Ansatz werden Ihre Anwendungen ohne zusätzliche Anpassung in die Cloud übertragen. Dieser Migration Path stellt für viele Unternehmen den ersten Schritt in die Cloud dar. Dazu werden einzelne Anwendungen oder zum Teil auch ganze bislang lokal betriebene Server mithilfe von VMs virtualisiert und dann in die Cloud verschoben. Auch bereits auf der eigenen Hardware in VMs genutzte Systeme lassen sich so problemlos ins Rechenzentrum eines Cloud-Providers übertragen. Die großen Cloud-Anbieter bieten für die Übertragung automatisierbare Werkzeuge wie den Azure Migrate Service oder AWS CloudEndure Migration an. Die Vorteile der Rehosting-Strategie liegen auf der Hand: Der Einstieg in die Cloud wird vereinfacht und die Kosten für die Migration sind vergleichsweise gering. Zugleich reduzieren Sie die Last auf den eigenen Servern und können sich dafür entscheiden, ältere Hardware allmählich zurückzubauen. Auf der anderen Seite profitieren Sie mit per Rehosting migrierten Programmen und Systemen noch nicht von den cloud-nativen-Funktionen der Anbieter, sondern nutzen lediglich die Remote-Infrastruktur als Dienstleistung (Infrastructure as a Service, IaaS). Damit eignet sich Lift-and-Shift vor allem für rechenintensive Anwendungen, die eigene Datenbanken nutzen und wenig oder gar keine Kommunikation mit separaten Prozessen und Systemen erfordern. Automatische Skalierung und andere cloudspezifische Optionen lassen sich mit in VMs ausgeführten Programmen allerdings nicht nutzen. Dazu sind weitgehendere Anpassungen der verwendeten Software notwendig.
Beim Refactoring geht es darum, die in Ihrem Unternehmen genutzte Software cloudfertig zu machen, ohne die Programme von Grund auf neu entwickeln zu müssen. Das kann sowohl Serveranwendungen als auch Tools auf den Rechnern der Endanwenderinnen und Endanwender betreffen. Der Hintergrund: Um die Skalierbarkeit und Flexibilität der Cloud wirklich ausnutzen zu können, müssen Anwendungen direkt auf den Cloudsystemen ausführbar sein. Während beim Rehosting Virtualisierungslösungen für ganze Systeme zum Einsatz kommen, werden beim Refactoring einzelne Programme zum Cloud-Provider verlagert. Um das möglich zu machen, wird auf Containerlösungen gesetzt. Dadurch wird die Software auf dem Host-System des Providers nutzbar, ohne dass der Source-Code der angepasst werden muss, um spezifische Cloud-APIs zu unterstützen. Refactoring stellt damit eine hervorragende Möglichkeit dar, kleinere Anwendungen und Programme für die Cloudnutzung einzurichten. Zum Einsatz kommen dabei Systeme wie Docker, Kubernetes und DC/OS. Im Vergleich zu den in den Abschnitten Rearchitect und Rebuild beschriebenen Migrationspfaden ist Refactoring wesentlich kostengünstiger und schneller durchführbar. Ähnlich wie die beiden Alternativen nutzt die so neu verpackte Software die Möglichkeiten der Platform-as-a-Service-Infrastruktur (PaaS). Stärker angepasste oder von Grund auf für Cloud-Computing-Systeme entwickelte Anwendungen skalieren jedoch besser und spielen damit ihre Stärke im Vergleich zu Programmen in Containern längerfristig aus.
Soll vorhandene Software für die Nutzung in der Cloud maßgeblich überarbeitet werden, spricht man von Rearchitecting. Die Überarbeitung großer Teile eines Programms kann teuer sein und viel Zeit in Anspruch nehmen. Nicht selten ist es sinnvoll, stattdessen die Neuentwicklung (Rebuild) der betroffenen Anwendungen in Betracht zu ziehen. Doch insbesondere bei größeren Programmen ist mitunter die Portierung für die Systeme der Cloud-Provider die bessere Lösung. Die Vorteile gegenüber dem bloßen Refactoring liegen auf der Hand: Die portierte Anwendung kann cloud-native Funktionen nutzen, skaliert besser und ist ohne festen Server innerhalb der vom Provider bereitgestellten Infrastruktur nutzbar. Dadurch wird zum Beispiel bei Nutzung von Microsoft Azure die Verwendung plattformweiter Logikfunktionen und APIs sowie von Microservices des Azure Service Fabrics ermöglicht.
Die Codebasis der Anwendung lässt sich so meist erheblich verringern, da wesentliche Funktionen an die Schnittstellen des Cloud-Anbieters ausgelagert werden. Die Nutzung von PaaS und IaaS wird gegenüber den Refactoring- und Rehosting-Lösungen verbessert und gestaltet sich deutlich effizienter. Die Integration von im Rearchitect-Verfahren überarbeiteten und per Rebuilding neu entwickelten Cloud-Anwendungen untereinander ist besser als zwischen Cloud-Anwendungen und per Refactoring cloudfähig gemachten Programmen. Dieser Cloud-Migration-Path stellt damit einen sinnvollen Weg dar, größere lokale Anwendungen fit für das Cloudzeitalter zu machen, ohne die Kosten einer vollständigen Neuentwicklung tragen zu müssen.
Ist der Schritt in die Cloud erst einmal getan, bietet es sich an, neue Software von Anfang an mit Fokus auf die Möglichkeiten des gewählten Cloud-Providers auszurichten. Derartige Anwendungen sind nicht nur in der Entwicklung kostengünstiger und schneller als klassische, lokal ausgeführte Programme, sondern senken darüber hinaus die laufenden Kosten bei der Ausführung. Zudem lassen sich innovative cloudspezifische Funktionen ausschließlich mit nativ für die Cloudschnittstellen entwickelter Software vollständig nutzen. Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, auch bereits vorhandene Programme neu zu entwickeln. Gerade bei größeren Anwendungen kann dieses Rebuilding zunächst aber kostspieliger sein, als die bestehende Software zu übernehmen und zu portieren. Auf der anderen Seite hilft der Rebuilding-Prozess dabei, alte Zöpfe abzuschneiden und erleichtert es im Rahmen der Cloud-Migration, eine klar abgegrenzte, neue IT- und Software-Infrastruktur herauszubilden.
Rebuilding bietet sich daher vor allem dann an, wenn innerhalb Ihres Unternehmens keine zu unübersichtliche Softwarelandschaft zum Einsatz kommt. Insbesondere Schatten-IT, also für die IT-Verantwortlichen unsichtbare Software, die in einzelnen Abteilungen verwendet wird und teils absolut essenziell ist, stellt diesbezüglich eine Herausforderung dar. Eine radikale Umstellung der Unternehmens-IT auf die Cloud muss gerade mit Blick auf solche Faktoren genau geplant werden.
Replacement ist die radikalste Cloud-Migrationsstrategie. Der konsequente Einsatz von Software-as-a-Service-Angeboten (SaaS), ausgelagerter Infrastruktur und Platform-as-a-Service-Diensten ist fast nur in neugegründeten Unternehmen und Start-ups wirklich durchsetzbar. Das Replacement vorhandener Systeme auf diesem Migration Path bedeutet typischerweise, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewohnte Workflows aufgeben und alte Software durch neue Programme ersetzen müssen. In Unternehmen mit gewachsener IT-Infrastruktur kann es dennoch sinnvoll sein, Replacement für einzelne Softwarebereiche zu nutzen oder damit Pilotprojekte in einzelnen Abteilungen anzustoßen. Beim Eruieren der Möglichkeiten und Herausforderungen, die mit der Cloud-Umstellung einhergehen, können solche Versuche äußerst hilfreich sein.
Beim Entwurf einer langfristigen Migrationsstrategie ist es zielführend, die beschriebenen Migrationspfade im Blick zu behalten. Auch wenn nur in den seltensten Fällen einer der Pfade allein zum Ziel führt, ist es sinnvoll, die Unterschiede, Vor- und Nachteile zu verinnerlichen. Die verschiedenen Varianten sind demnach als Werkzeugkasten zu verstehen. Entscheiden Sie sich beim Planen für genau die Tools und Methoden, die für Sie und Ihr Unternehmen am sinnvollsten sind. Je nach Abteilung, Softwarekategorie und vorhandenen Ressourcen. So gelingt es, den flüssigen, reibungslose Übergang in die Cloud zu gestalten.
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